
Jetzt folgen Orte, die ich noch nie gehört hatte, bevor ich mich mit Australien und unserer Reise beschäftigt habe: Tennant Creek, Daly Waters, Katherine und Nitmuluk.
Eine verregnete Nacht auf dem echt runter gerockten Campground in Tennant Creek haben wir überstanden (alles in unserem Wagen ist mittlerweile schön klamm). Abfahrt morgens um 8 Uhr bei 10 Grad. Puh, hoffentlich wird das noch besser.
Der Stewart Highway führt weiterhin kilometerweit geradeaus nach Norden. Es passiert nichts, man sieht nichts als Buschland, wenn es auch mittlerweile ein wenig grüner zu sein scheint als weiter südlich. Mittlerweile denke ich, dass die Verkehrs- und Hinweisschilder hier am Highway hauptsächlich der Abwechslung dienen. Man liest ein Schild wie z.B. „Next Rest Area 10 km – Please arrive alive“ und kann danach entweder darüber schmunzeln oder sich Gedanken machen, was alles passieren könnte, um nicht lebend dort anzukommen. Dann kommt man an dem Rastplatz vorbei und man ist fast erleichtert. Dann folgt ein anderes Schild. Und so geht das über Stunden. Manchmal Gegenverkehr: Man kann echt coole Allrad-Fahrzeuge sehen mit und ohne Wohnwagen, die sind teilweise sogar für Expeditionen geeignet. Und dann und wann kommt uns ein Road Train entgegen, LkW mit drei oder sogar vier Anhängern. Ein Schild informiert, dass die Road Trains bis zu 53,5 m lang sein können. „Please arrive alive!“ denke ich, denn man muss aufpassen, dass die einen nicht von der Straße fegen, wenn man einem entgegen kommt.

Wir machen einen Stopp in Daly Waters, auch um zu tanken. Vor allem jedoch, um den angeblich ältesten Pub Australiens anzusehen. Vom Highway abgefahren, auf eine staubige Straße ins Nirgendwo abgebogen. Nur ein paar Meter weiter in dem Nest, das Daly Waters heißt, ist plötzlich alles voller Menschen, so dass man sich fragt, wo die wohl alle herkommen. Die Attraktion hier, der Pub, von außen eine Art Wild West Saloon, von innen ein echt uriger Pub mit einem sehr schönen Biergarten. Es gibt Bier und Burger und einen Cowboy, der an der Gitarre Country-Songs zum besten gibt. Die Deko im Pub: natürlich viele alte Bilder, aber auch ein buntes Sammelsurium der Dinge, die die Gäste der letzten 100 Jahre irgendwann einmal liegen gelassen haben. Da hängt die Decke voller alter Hüte, Caps und T-Shirts, an der Bar hunderte alte Ausweise jeglicher Art und jeder Nation und es gibt auch eine Ecke für BHs und Unterwäsche. Wir tanken, drehen eine Runde und fahren weiter.

Gute zwei Stunden Fahrt später kommen wir in die Kleinstadt namens Katherine, auf der Grenze zu den Sub-Tropen. Ein Blick auf die Temperaturanzeige im Wagen bestätigt uns: Es ist warm draußen: 29 Grad. Endlich. Das sind 19 Grad Temperaturunterschied in fünf Stunden (man erinnere sich: morgens Abfahrt im verregneten Tennant Creek bei 10 Grad). Erstmal müssen wir wieder shoppen gehen (wir haben ja unser verlorenes Gepäck immer noch nicht): Flip Flops und Badesachen stehen auf der Liste.
Auf der Suche nach geeigneten Läden werden wir ganz krass mit der Realität der Aborigines hier im Norden Australiens konfrontiert: Kai und ich gehen an der befahrenen Einkaufsstraße entlang. Für uns sieht es hier eher aus wie in einem Gewerbegebiet, ist aber die normale Einkaufsstraße außerhalb der Innenstadt.
Auf dieser Straße sind sehr viele junge und ältere Aborigines (eigentlich müsste man sagen, sie haben nichts anderes zu tun, also laufen sie hier herum). Alle wirken erschreckend heruntergekommen und nahezu keiner von ihnen hat keine Alkoholfahne (und die stammt von harten Alkoholika). Wir kommen an einer Art Industriehalle direkt neben dem normalen örtlichen Supermarkt vorbei, davor und darin unzählige Aborigines, eine Dunstwolke harter Alkoholika schlägt einem auf halbem Weg entgegen. Sehr krass und ich möchte unbedingt weg von hier.
Nach unseren Einkäufen kommen wir nach kurzer Fahrt an unser Ziel Nitmiluk, was ein Nationalpark in der Katherine Gorge ist. Der Name Nitmiluk stammt von dem unaufhörlichen „Nit Nit Nit“ der Zikaden. Nitmiluk, das Zikadenland. Hier hat sich der Katherine River eine atemberaubende Schlucht durch rotes Gestein gegraben, die man entweder per Boot / Kanu oder auf verschiedenen Wanderungen erkunden kann. Bei unserer Ankunft dann eine Enttäuschung: alle Boote und Kanus sind bereits ausgebucht. Da gerade Schulferien in Australien sind, ist es hier sehr voll. Dazu Kai: „Na toll, ich dachte Katherine Gorge kennt kein Mensch. Da muss man nicht vorher buchen und jetzt so etwas.“ Die Enttäuschung ist groß: Keine Kanutour auf dem Katherine River.
Zur Ablenkung wollen wir hier im Info-Center dann einfach einen Blick auf den Fluss werfen und treten auf einen lang gestreckten Balkon mit Blick auf die Schlucht hinaus. Hier erwartet uns eine riesige Überraschung: Hohe Bäume stehen am Flussufer vor dem Balkon. In diesen Bäumen ein irres Gewusel und Geflatter zusammen mit einem zunächst undefinierbaren Geräusch und ein Geruch wie im Zoo. Nach und nach erkennt man: die ganzen Bäume sind voller Flughunde!! (Flying foxes), die auf den Kopf gedreht an sämtlichen Zweigen hängen.

Immer wieder wechseln einige fliegend die Plätze, so dass sich uns ein unüberschaubares Gewimmel darbietet. Dieses Bild ist für mich so unerwartet und irre, dass wir uns hier auf dem Balkon erstmal auf ein kühles Bier niederlassen und schauen und staunen, bevor die Nacht hereinbricht.

Am Samstag morgen machen wir hier in der Katherine Gorge eine wirklich schöne ausgedehnte Wanderung (ausgedehnt, weil wir leider einmal falsch abbiegen und die 2 km Weg in voller Hitze wieder zurück müssen). Es geht durch grünes Buschland bergauf und bergab. Ab und zu werden wir durch großartige Ausblicke auf den Fluss belohnt. Wir steigen auf einem verschlungenen Weg und zuletzt über Felsbrocken zu einem verschwiegenen Wasserloch (Southern Rockhole) ab, wo zwischen Felsen ein intimer kleiner See von einem kleinen Wasserfall (in der Regenzeit ist es wohl ein großer Wasserfall) gespeist ist.


Ziemlich erschöpft und voll von herrlichen Bildern, fahren wir danach weiter in den Kakadu National Park.